Leider konnte das BÜRGERBEGEHREN “MUSIKZENTRUM” die Fällung der 19 Platanen und 12 weiteren Bäume nicht aufhalten. Letztlich hat das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) den gestellten Eilantrag, der das verhindern sollte, abgelehnt (15 B 1248/12).
Zwar hat das OVG die Begründung der ersten Entscheidung durch das Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (VG) verworfen, jedoch den Antrag letztlich doch, wenn auch mit anderer Begründung, abgelehnt. Diese Begründung ist in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen folgt sie nicht der Rechtsansicht der Stadt, die das Begehren allein deshalb für unzulässig hielt, weil es sich auf eine Feststellung des Rates bezieht, zum anderen beruht der Beschluss des OVG nach Meinung des BÜRGERBEGEHRENS MUSIKZENTRUM auf einem Missverständnis beim Verständnis der von der Stadt gewählten komplexen Beschlusskonstruktion.
In seiner Begründung vertritt das Oberverwaltungsgericht Münster die Ansicht, die Fragestellung des Begehrens wäre nicht darauf gerichtet in der Sache selbst zu entscheiden, sondern sei darauf gerichtet ein Meinungsbild einzuholen, dementsprechend dann der Rat entscheiden soll.
Dieser Rechtsansicht kann das BÜRGERBEGEHRENS MUSIKZENTUM jedoch nicht folgen: Die Fragestellung des Begehrens lautet: Sind Sie für die Feststellung, dass die vom Rat festgelegten Bedingungen für den Bau des Musikzentrums nicht erfüllt sind und deshalb unter diesen Umständen der Bau nicht erfolgen darf?
Durch das Bürgerbegehren soll der Ratsbeschluss vom 05.07.2012 „kassiert“ werden. Darin stellt der Rat fest, dass die von ihm selbst gesetzten Vorgaben zum Bau des Musikzentrums erfüllt sind. Die Bürger wollen an Stelle des Rates die Entscheidung neu treffen.
Aufgrund des Wortlauts des § 26 (1) GO-NRW ist zu unterstellen, dass die Bürger, die einen Bürgerentscheid beantragen, immer eine abschließende Entscheidung in einer Angelegenheit durch die Bürger an Stelle des Rates erreichen wollen. Dies wurde natürlich auch mit dem Begehrensantrag beim Bürgerbegehren „Musikzentrum“ so beabsichtigt und auch von Presse Stadt und Bürgern bisher so verstanden. Entsprechend wird auf der Unterschriftenliste § 26 GO-NRW, auch explizit genannt.
Nur wenn ganz offensichtlich aus der Fragestellung des Bürgerentscheids eine dieser Grundannahme zuwider laufende Entscheidung gewünscht ist, wäre es berechtigt Gegenteiliges anzunehmen.
Vom Rat wurde am 05.07.12 die bekannte Feststellung getroffen gegen die sich der Bürgerentscheid richtet. Und zwar wie folgt:
Die Vorlage: 20121241 wird beschlossen.
Abstimmungsergebnis: Mehrheitlich nach Beschlussvorschlag
Enthaltungen: 1 (FDP)
Dagegen: 20 (CDU/Grüne/LINKE/UWG/SL/NPD)
Dafür: 48 (SPD/CDU/FB/OB)
(Beschlussergebnis Rat vom 05.07.2012, siehe auch Bilder zum Beitrag)
Auch die Ratsentscheidung ist somit immer eine „Dafür“ oder „Dagegen“-Entscheidung. Gleiches gilt für den Bürgerentscheid. Entsprechend wurde das Bürgerbegehren formuliert:
Die Frage des Bürgerbegehrens wird daher eingeleitet mit: „Sind Sie für die Feststellung… „.
Dadurch lässt sich die Frage, wie im Gesetz vorgeschrieben, mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Auch beim Bürgerentscheid wird am Ende eine Zahl Bürger „Dafür“ und eine andere Zahl Bürger „Dagegen“ abgestimmt haben.
Nach der Entscheidung durch die Bürger ist keine erneute Ratsentscheidung erforderlich. Das ergibt sich bereits aus der Logik: Ist die Mehrheit bei Erfüllung des Quorums für die im Bürgerbegehren genannte Feststellung, dann ist es überflüssig, dass der Rat noch mal genau dasselbe beschließt, was die Bürger bereits im Bürgerentscheid beschlossen haben.
An die Formulierung des Bürgerbegehrens dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Zur Vermeidung übergroßer Hürden auf dem Weg zur Mitentscheidung der Bürgerschaft sind sogar gewisse Ungenauigkeiten der Formulierung des Anliegens hinzunehmen (Vgl. Klenke, NWVBl. 2002, 45; Ritgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid 1997, 136 f.). Anders als im vom OVG in seiner Begründung angeführten Urteil 15 A 5594/00 handelt es sich bei der Formulierung auch nicht um eine lediglich resolutionsartige Unterstützung eines bestimmten Anliegens. Anders als beim Urteil 15 A 5594/00 bezieht sich das Begehren auch auf einen ganz konkreten Ratsbeschluss, den die Bürger an Stelle des Rates treffen wollen. Es ist auch nicht unklar, was genau im Erfolgsfall des Bürgerentscheides zu veranlassen wäre: Stimmen die Bürger mehrheitlich für die Feststellung, dass die genannten Vorgaben nicht erfüllt sind und wird das Quorum erfüllt, dann kann das Musikzentrum gemäß Ratsbeschluss vom 09.03.2011 nicht gebaut werden, im anderen Fall schon.
Der Gegenstand der Entscheidung ergibt sich unzweideutig aus dem Text des Bürgerbegehrens: Hier sollen die Bürger, wie der Rat, „Für“ oder „Gegen“ die genannte Feststellung abstimmen. Der Text des Begehrens lässt somit eine Fragestellung erkennen, die auf eine konkrete Sachentscheidung gerichtet ist, nämlich die, ob das Musikzentrum gebaut werden kann, weil die Vorgaben erfüllt sind, oder nicht gebaut werden kann, weil diese nicht erfüllt sind.
Durch die Frage im Bürgerentscheid kann sich also auch keine Vorgabe für einen späteren Ratsentscheid ergeben. Mit einem Bürgerentscheid können die Bürger nicht dem Rat vorschreiben, wie er abstimmen soll. Dies bezweckt der beantragte Bürgerentscheid auch nicht. Wie bei Bürgerentscheiden grundsätzlich, wollen die Bürger gem. § 26 GO-NRW den zu kassierenden Ratsbeschluss selbst an Stelle des Rates treffen, um in der Angelegenheit abschließend zu entscheiden.
Fazit: Ob die Begründung des OVG Bestand haben wird, kann also in Frage gestellt werden. Das Bürgerbegehren hat allen Grund zuversichtlich zu sein, dass die Gerichte im Hauptsacheverfahren, wenn sie die Angelegenheit in Ruhe prüfen können zu einer anderen rechtlichen Einschätzung gelangen.
Für die Prüfung der Angelegenheit (immerhin 7 Seiten Antrag + 95 Seiten Anlagen) stand dem OVG im einstweiligen Verfahren kaum mehr als eine Stunde Zeit zur Verfügung, die Beschwerde gegen die Entscheidung des VG wurde um 15:30 Uhr an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen versendet, das OVG musste bis 17:00 Uhr eine Entscheidung fällen, so dass eine intensive Prüfung nicht erfolgen konnte.